Banken verweisen auf Zinspolitik der EZB
Schuld ist aus Sicht vieler Banken die Zinspolitik der europäischen Zentralbank. Seit die EZB im September 2019 den Einlagenzins für Banken, die Kundengelder bei ihr parken, auf minus 0,5 Prozent gesetzt habe, müsse man diese Kosten an Kunden weitergeben. Während anfangs nur sehr vermögende Kunden von den Geldinstituten zur Kasse gebeten wurden, senkten immer mehr Institute ihre Freibetragsgrenzen und verlangten Strafzinsen.
So können Kunden Strafzinsen aus dem Weg gehen
Kunden müssen deshalb handeln. Dazu sollten sie ihr Geld entweder auf mehrere Konten verteilen, um unter den Freibetragsgrenzen zu bleiben, oder einen Teil ihres Geldes woanders parken. Manchmal hilft es auch – sofern Kunden eine gute Bonität haben – mit der Bank über die Höhe der Minuszinsen oder über die Freigrenzen zu verhandeln. Einige Leserinnen und Leser berichten, dass ihre Hausbanken ganz oder mindestens auf einen Teil der Strafzinsen verzichtet haben, um eine Kündigung aller Konten zu vermeiden.
Auslandsbanken zahlen ein bisschen mehr Zins
Für Sparerinnen und Sparer, die keine Minuszinsen zahlen wollen, gibt es Auswege. Vor allem ausländische Banken bieten Tagesgeldkonten an, bei denen Kunden für täglich verfügbare Gelder sogar noch etwas Zinsen bekommen. Viele Angebote sind ausschließlich über Zinsportale wie Check24, Weltsparen oder Zinspilot erreichbar. Bei Auslandsbanken mit Sitz in der Europäischen Union (EU) sind nach einer Richtlinie der EU bis zu maximal 100 000 Euro gesetzlich geschützt. Die besten Zinsen für Tagesgeld können in unserem Zinsvergleich ermittelt werden. Auslandsbanken erheben bisher keine Strafzinsen.
Deutsche Banken mit Sicherung über 100 000 Euro
Sparwillige, die mehr als 100 000 Euro auf Tagesgeldkonten ohne Strafzinsen parken wollen, können auf deutsche Banken mit erweiterter Einlagensicherung ausweichen. Einen Überblick bietet unser Tagesgeld-Zinsvergleich. Alle genannten Banken gehören dem freiwilligen Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes Deutscher Banken an. Dort sind Einlagen in Millionenhöhe pro Anleger geschützt.
Strafzinsen schon ab 5 000 Euro
Teilweise wöchentlich kündigten Banken und Sparkassen zuletzt noch die Einführung von Minuszinsen oder die Senkung der Freigrenzen auf Kontoguthaben an. Richtig übersichtlich sind die von Banken und Sparkassen eingeführten Regeln für ihre Entgelte nicht.
Die Targobank etwa rechnet nach einer „Verwahrentgelttabelle“ ab. Dabei steigen die Gebühren mit der Guthabenhöhe. Ab 50 000 Euro Durchschnittsguthaben werden 10 Euro pro Monat, ab 100 000 Euro 20 Euro fällig.
Die Degussa Bank hat eine Regelung, die Guthaben auf dem Girokonto erst ab 100 000 Euro mit Negativzinsen belegt. Wer hier allerdings ein Zweitkonto wie zum Beispiel ein Tagesgeldkonto eröffnet, wird seit dem 1. Juli 2021 bereits für Guthabenanteile ab 5 000 Euro mit Minuszinsen belastet.
DKB hat Freigrenze in kurzer Zeit zweimal halbiert
Die DKB Bank berechnet seit letztem Sommer 0,5 Prozent Strafzinsen. Keine Strafzinsen zahlen Kunden, die bereits vor dem 3. Dezember 2020 Kunde bei der DKB waren und keine individuelle Vereinbarung über ein Verwahrentgelt unterschrieben haben. Kundinnen und Kunden, die nach dem 3. Dezember 2020 bis einschließlich 31. August 2021 Konten bei der DKB eröffnet haben, zahlen ab einem Betrag von 100 000 Euro 0,5 Prozent Strafzinsen. Nach dem 31. August 2021 hat die DKB die Freigrenzen für Kontoguthaben binnen drei Monaten gleich zweimal halbiert. Seit 10. November 2021 beträgt sie für Neukunden nur noch 25 000 Euro.
Die Commerzbank verlangt seit 10. Mai 2021 von Neukunden schon für Beträge über 50 000 Euro (bisher 100 000 Euro) Negativzinsen.
Die Postbank und die Deutsche Bank haben ihre Freigrenzen für Gelder auf Giro- und Anlagekonten zum Wertpapierdepot auf 50 000 Euro gesenkt. Für Tagesgeld wird der Strafzins von 0,5 Prozent im Jahr bereits für Betragsanteile ab 25 000 Euro fällig.
Kunden müssen Negativzinsen zustimmen
Bevor eine Hausbank Negativzinsen vom Konto eines Kunden abziehen darf, muss sie dafür bei ihren Bestandskunden eine schriftliche Zustimmung einholen. Erst ab dem Datum der Unterschrift des Kunden darf sie dann einen Strafzins berechnen. Natürlich können Kunden die Zustimmung auch verweigern. Sie müssen dann aber damit rechnen, dass die Bank ihnen die Geschäftsbeziehung kündigt.
Unser Rat – Tagesgeld, Festgeld, Minuszinsen
- Hausbank.
- Prüfen Sie zunächst, ob Sie Ihre auf Giro-, Tagesgeld- oder Anlagekonten liegenden Geldbeträge so verteilen können, dass sie unter der jeweiligen Freibetragsgrenze bleiben.
- Vereinbarung.
- Sprechen Sie mit Ihrer Bank. Einige Institute verzichten oder senken die Strafzinsen, um Kunden nicht zu verlieren.
- Wechsel.
- Verlangt Ihre Bank für höhere Geldbeträge auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto Strafzinsen, sollten Sie Ihr Geld woanders anlegen. Unsere Spitzenreiter für Tages- und Festgeldanlagen finden Sie in den Zinsvergleichen der Stiftung Warentest. Im Vergleich Tagesgeld finden Sie nur Angebote, bei denen bis zu einem Betrag von 100 000 Euro keine Negativzinsen anfallen. In unserem Festgeldvergleich finden Sie die aktuell günstigsten Konditionen. Ethisch-ökologische Zinsangebote finden Sie in unserem Vergleich nachhaltige Tages- und Festgeld.
- Sicherheit.
- Mithilfe unseres Einlagensicherungs-Checks können Sie prüfen, in welcher Höhe eine Bank Ihr Spargeld im Pleitefall schützt.
- Verteilung.
- Über den Freibetragsgrenzen liegende Ersparnisse sollten Sie bei Banken anlegen, die keine Negativzinsen verlangen. Bei manchen Banken gibt es für Tagesgeldanlagen sogar noch etwas Zins.
- Auslandsbanken.
- Bei Auslandsbanken sollten Sie pro Person nicht mehr als den durch die europäische Einlagensicherung geschützten Betrag von 100 000 Euro anlegen. Übersteigt Ihre Anlage die Grenze, verteilen Sie Ihr Geld auf mehrere Banken. So sind Sie im Pleitefall der Bank abgesichert – oder suchen sich eine Bank mit weitergehender deutscher Einlagensicherung, die auch höhere Beträge verzinst.
- Abzockerportale.
- Unverfroren tauchen immer öfter dubiose Internetportale auf, die hohe Zinsen für angeblich sichere Festzinsanlagen bei europäischen Banken mit europäischer Einlagensicherung versprechen. Meist handelt es sich um Betrug. Schauen Sie in unserer Warnliste nach, ob wir vor einem Anbieter warnen.
Bei Kontoeröffnung Sicherungsgrenze beachten
Bei jeder Kontoeröffnung sollten Interessierte auf die Höhe der Einlagensicherung achten, um im Fall einer Bankpleite keinen Schaden zu erleiden. Bei 30 inländischen und ausländischen Banken, die in unseren Zinsvergleichen auftauchen, lässt sich deutlich mehr als 100 000 Euro anlegen, obwohl die Einlagensicherung begrenzt ist. So nimmt die Bank of Scotland Guthaben bis 500 000 Euro an, die zur französischen Einlagensicherung gehörende Opel Bank sogar eine Million Euro. Im Schadensfall sind bei diesen Anbietern aber nur maximal 100 000 Euro pro Person gesetzlich garantiert.
Einlagensicherungsrechner nutzen
Welche Einlagensicherung für die jeweilige Bank zuständig ist und welche Höhe Finanztest für die Anlage maximal empfiehlt, kann im kostenlosen Rechner Einlagensicherung nachgeschaut werden. Dort sind nur Banken aus Ländern gelistet, deren Sicherungssystem die Stiftung Warentest für stabil hält.
Sind Negativzinsen unzulässig?
Ob Verwahrentgelte grundsätzlich zulässig sind, lassen Verbraucherzentralen (VZ) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gerichtlich klären. Sie haben an unterschiedlichen Gerichtsstandorten Klagen gegen Banken eingereicht, die von Kundinnen und Kunden Strafzinsen für Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten erheben.
Landgericht Berlin untersagt Strafzinsen
Einen zweiten Erfolg konnte der vzbv im Januar 2022 verbuchen. Die Volksbank Rhein-Lippe hatte im April 2020 für Neukunden ein Verwahrentgelt eingeführt. Für Einlagen über 10 000 Euro verlangte die Bank ein Entgelt von 0,5 Prozent pro Jahr. Das Landgericht Düsseldorf schloss sich dem Landgericht Berlin an. Hier entschieden die Richter gegen die Sparda-Bank Berlin, Verwahrentgelte für Guthaben sowohl fürs Giro- als auch fürs Tagesgeldkonto zu verlangen. Die Bank wollte für Giro-Guthaben über 25 000 Euro und für SpardaCash-Guthaben über 50 000 Euro 0,5 Prozent pro Jahr kassieren. Das sei eine unzulässige Einschränkung der Dispositionsfreiheit der Kunden, befand das Gericht. Mehr noch: Es verurteilte die Bank dazu, alle Gebühren an Kunden zu erstatten.
Landgericht Berlin, Urteil vom 28.10.2021, Az. 16 O 43/21 (nicht rechtskräftig)
Sparda-Bank legt Rechtsmittel ein
Die Sparda-Bank hat bereits Rechtsmittel angekündigt. Vermutlich wird der Fall bis zum Bundesgerichtshof gehen. Das Landgericht Leipzig etwa hatte Verwahrentgelte der Sparkasse Vogtland für zulässig gehalten und die Klage der Verbraucherzentrale Sachsen dagegen abgewiesen.
VZ Hamburg klagt gegen Commerzbank
In einem weiteren Verfahren klagt die Verbraucherzentrale Hamburg in Frankfurt am Main gegen die Commerzbank, weil sie – anders als die meisten Banken – auch für Guthaben auf Sparbüchern ein Verwahrentgelt verlangt. Das ist aus Sicht der Hamburger Verbraucherschützer rechtswidrig. Bei Guthaben auf Sparbüchern handele es sich rechtlich um ein Darlehen der Kunden an die Bank. Wer dafür keine Zinsen zahle, sondern Strafzinsen verlange, würde das Sparmodell ad absurdum führen, heißt es bei der VZ Hamburg. Wie die Richter am Frankfurter Landgericht das sehen, bleibt abzuwarten.
Author: Megan Hernandez
Last Updated: 1703868362
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